Oldtimerfliegers Schlaraffenland

VGC-Rally 2017 in Dunaujvàros

Wie jedes Jahr sammeln sich im Sommer irgendwo in Europa ein Haufen alter Segelflugzeuge nebst Anhang um gemeinsam den Himmel ein bisschen bunter zu machen.

Letztes Jahr war dieses Treffen in Finnland, die lange Anreise und die hohen Fährkosten führten zu einer eher kleinen Runde.

Auch uns war das ein wenig zu weit und zu teuer, aber dieses Jahr wollte ich nun wirklich gern wieder hin. Und Ungarn ist zwar auch nicht nebenan, aber zumindest spart man sich die Fährkosten. Außerdem wollten wir ein paar Freunde wiedertreffen, die sich auch angemeldet hatten.

Ursprünglich hatten wir uns mit dem Ka6chen angemeldet, die sich dort sicher auch gut gemacht hätte zwischen all ihren bunten Geschwistern, aber dann kam ja alles anders.

Nachdem wir im Frühjahr dank Anti zusammen mit ihm, Folger und Arne völlig unerwartet und überglücklich eine – unsere!- Minimoa nach Braunschweig holen konnten, haben wir uns kurz vor der Reise doch noch umentschieden.

Auch wenn wir anfangs unsicher waren, ob das die richtige Entscheidung war, wurden wir recht schnell überzeugt, dass es goldrichtig war.

Also wurde das Ungetüm von Hänger angehängt, Das faulhabersche Familienzelt anstelle des Wohnwagens mitgenommen und dann ging es auf die Reise.

1Gespann Yeti

Einen Übernachtungsstopp legten wir in Rana in Tschechien ein, wo das diesjährige Vortreffen des VGC gerade zu Ende ging. Hier trafen wir bereits einige alte Bekannte, wie David aus Schottland, dessen feine Skylark wir vor zwei Jahren in Holland fliegen durften. Die Nacht hab ich im Hänger neben dem Knickflügel und Yeti im Mondeo verbracht.

Am nächsten Tag setzte sich die Karawane dann in Bewegung Richtung Ungarn, wo wir dann spätnachmittags auch ankamen.

Es war heiß. Und es wurde jeden Tag heißer.

2Gespann An2

Am Flugplatz waren zwei bis drei Antonovs stationiert, die flogen von hier ihre Agrareinsätze. Was in Deutschland Star einiger Flugtage ist, ist hier Arbeitsgerät.

Der Flugplatz selbst ist riesig. Einige nationale Meisterschaften wurden hier bereits abgehalten. Wenn man vom F-Schlepp Start zum Windenstart („Aggregato aggregato“) wollte, war man schon ein Weilchen unterwegs.

3Petrel Flugplatz
Hier sieht man den Platz (in Verlängerung des Flügels). Oben links die Hallen, der Tower, der Campingplatz sowie die Hänger und abgestellten Flugzeuge. Unten links ist die F-Schleppstelle zu sehen, und der Windenstart befindet sich rechts außen unterm Flügel.

Auch schön zu sehen ist hier die Donau, die man bereits im F-Schlepp zweimal überquerte.

Nicht mehr im Bild zu sehen ist das riesige Stahlwerk, welches ein kleines Stück flußaufwärts liegt. Es sollte zwar nicht überflogen werden, schien aber an einigen der heißen Tage die einzige Thermikquelle zu sein. Nebenbei trug es nicht gerade zu sauberer Luft bei…

4Flotte2
Suchbild: wer findet meinen alten Ka6-Hänger? Der war nämlich auch da!

Es war jedenfalls genug Platz für die große bunte Flotte, die hier zusammengekommen war. Circa 70 Flugzeuge waren hier versammelt, und die Teilnehmer kamen nicht nur aus ganz Europa, auch aus den USA waren ein paar VGC-Mitglieder angereist, diese dann allerdings ohne Flugzeug. Was aber, und das ist das schöne, bei diesen Treffen nicht so schlimm ist, denn es gibt genug Flugzeuge, die auch mal von anderen Piloten als den eigenen bewegt werden wollen.

Zum Beispiel die filigrane Pik 5 aus Finnland, die hier gerade zusammengebaut wird.

5Pik5

Die nette Truppe überließ ihren wunderbaren und raren Oldtimer anderen Piloten gegen eine Fördermitgliedschaft in ihrem Oldtimerverein, um so dieses Flugzeug und weitere Projekte zu finanzieren. Ein Angebot, welches von Vielen dankbar angenommen wurde.



Auch die ungarischen Organisatoren hatten einige Oldtimer im Angebot, so z.B. die Cinke, die ungarische Version der Olympiameise oder auch die Góbé, der ungarische Schuldoppelsitzer.

Diese sehr rührige Gruppe sammelte außerdem Spenden für das Nemere-Projekt. Dieses elegante und beeindruckende geschichtsträchtige Flugzeug , von dem vor einiger Zeit durch Zufall der komplette Zeichensatz wieder auftauchte, soll nachgebaut und in die Luft gebracht werden.

6Nemere
Nachdem nun also der Hänger geparkt und das Zelt aufgebaut war, traf man immer mehr auf bekannte Gesichter. Didier aus Frankreich war mit seiner schönen Rhönlerche wieder da, Manfred und Gitta hatten ihre hübsche Ka2 aus Hamburg hierher gezogen, Elisabeth und Werner waren mit dem OSC Schänis und der wunderbaren Moswey 3 wieder dabei, Nick hatte zwar seine schnuckelige Hütter in England gelassen, dafür seine gute Laune wie immer dabei. Und natürlich lernten wir einen Haufen neue Leute kennen. Zuallererst wurde mir Christian Matthieu vorgestellt, welcher zusammen mit Otto Bacher eine Minimoa besitzt, die grade auf der Zielgeraden Ihrer umfangreichen Restaurierung angekommen ist. Obwohl noch nicht flugfähig, hatten sie das Flugzeug mitgebracht. Wohl auch, weil ein Großteil der Restaurierung von dem Budapester Laszlo Révy durchgeführt worden ist, welcher mit seiner Cimbora natürlich auch wieder mit von der Partie war.

8 Laszlo

Laszlo konnte uns viele hilfreiche Tipps zu unserem Flieger geben, und das, obwohl wir kein Ungarisch und Laszlo ca 5 Worte Deutsch und ebensoviel Englisch spricht.

Auch kennenlernen durften wir Hellmut, der mit einem hübschen kleinen hölzernen von seinem Vater entworfenen Wohnwagen in Ungarn ankam. Und dieser Vater war kein anderer als Wolf Hirth, treibende Kraft hinter der Minimoaentwicklung und ehemaliger Pilot unseres Flugzeuges.

9Herr Hirth
Hier steht er zusammen mit Christian Matthieu hinter unserer Minimoa und freut sich.

Unter den rund 70 gemeldeten Flugzeugen war auch der rotgestreifte Habicht mit Familie Zahn, die sehr zu unserer Freude ein Ferienhaus gemietet hatten, neben dem ein feiner Pool zur dringend nötigen Abkühlung verhalf.

Dafür war man dann auch gern mal Reittier.

10Kinder2
So haben wir also jeden Morgen, wenn es im Zelt zu heiß wurde ( so spätestens ab 0700), unsere Minimoa aus dem Hänger gezogen und auf einen freiwilligen Helfer zum Aufrüsten gewartet, abends haben wir sie immer wieder abgerüstet, wie man das in Braunschweig halt so macht. Da haben sich einige gewundert und viele gefreut. Wir auch, weil‘s so gut geht.

11Minimoa rüsten

Dann konnte man fliegen. Leider wurde die oft versprochene Hammerthermik immer um ein paar Grad Auslösetemperatur verfehlt, warm genug war‘s trotzdem und einige schöne Flüge sind auch zusammengekommen.


Unsere Minimoa hat in Ungarn gut 14 Stunden in der Luft verbracht. Einige davon mit Shaun als Piloten, der wieder wild auf der Suche nach Fluggelegenheiten war.

12Shaun Luft

Also musste ich mir an diesem Tag eine andere Beschäftigung suchen, und schneller, als ich gucken konnte, saß ich in dem wohl perfektesten L-Spatz, der derzeit so rumfliegt. Unglaublich, ein echtes Schmuckkästchen. Aufgrund der transparenten Rumpfbespannung kann man dem Piloten während Start und Landung beim Knüppelrühren beobachten. Und was das Flugverhalten angeht, so wirkt eine Ka6 dagegen fast schon träge… War sehr lustig!

13L Spatz

So haben wir jeden Tag also geschwitzt, geflogen, gelacht, Eis gegessen, „netzgewerkt“, geduscht und abends der akuten Unterhopfung entgegengearbeitet.

14Unterhopft
Auf jeder VGC-Rally gibt es den nationalen Abend, an dem dieses Mal natürlich ein großer Topf ungarisches Kesselgulasch gekocht wurde.

An einem anderen Abend der Rally wird der internationale Abend gefeiert. Jedes Land bringt etwas Kulinarisches mit, was dann für alle zum Probieren bereitgelegt wird auf liebevoll dekorierten Tischen. Nun müssen diese kulinarischen Köstlichkeiten ja durch halb Europa gekarrt werden und dann auch noch einige Tage in Wohnmobilen frisch gehalten werden. Ergo gab es sehr viele flüssige Spezialitäten. Mit Ausnahme der Schweizer, die wunderbaren Apfelsaft dabei hatten, waren diese Spezialitäten dann doch eher nix für Abstinenzler. Unser Plan, erst mal schnell ein bisschen zu essen, war schon am ersten Stand, den der Franzosen, zum Scheitern verurteilt. Bei den Finnen und den Polen wurde es dann auch nicht wirklich besser… Aber es gab dann doch auch noch feste Nahrung, und es war eine wunderbare Feier.

Aufgrund der Nachwirkung und der Temperatur haben wir am nächsten Tag dann mal den Pool vorgezogen, was dann noch rasch zu einem Werbefotoshooting genutzt wurde.

Yeti im Fluge, mal anders.

15Karacho
Außerdem gab es an dem Tage noch zwei andere Fotomodelle, die heiß umlagert waren. Zwei Minimoas nebeneinander sieht man dann eben doch nicht so häufig, und nachdem wir die zwei Grazien dann vor der Halle platziert hatten, ließen die Paparazzi nicht lange auf sich warten.

16Minimoapaparazzi
Wahrscheinlich eines der meistfotografierten Motive dieser Rally.

17Minimoaduett



Dann haben wir beide noch ein ganz besonderes Geschenk bekommen; Familie Zahn hat uns einen Habichtflugtag geschenkt, inklusive zweier F-Schleppmarken. Da waren wir doch erst mal sprachlos.

Und dann ganz glücklich.

18Habicht Conni
Beide sind wir nach diesen Flügen mit einem breiten Grinsen wieder gelandet. Etwas spannend war der Start mit Abwurffahrwerk. Da die richtige Höhe abzuschätzen ist gar nicht so einfach, fällt es zu früh, kann es gegen den Rumpf zurückspringen, fällt es zu spät, ist man also schon zu hoch, kann es kaputtgehen.

Ging aber alles gut, und was für ein Spaßgerät! Nicht nur die unglaublich direkte und sehr gute Ruderwirkung ist ein Erlebnis, auch das Fliegen mit offener Haube und damit die Möglichkeit, direkt nach unten zu schauen ist einfach doch eine ganz andere Erfahrung.

Der Tag wurde noch aus einem weiteren Grund für mich unvergesslich. Nach meinem Flug mit dem Habicht ist Yeti dann auch in das rotgestreifte Sportgerät gestiegen und ich habe mit unserer Minimoa einen Start gemacht. Da die Thermik wieder mal nicht so dolle war saßen wir aber bald wieder auf der Wiese. Und dann kam Graham an und fragte ob ich seine Petrel fliegen wolle.

19Petrel Flug1
Dieses Gedicht von einem Segelflugzeug. Diese Schönheit, welche ich schon auf so vielen Bildern bewundert hatte und sie nun in Ungarn endlich mal live und in Farbe sehen konnte. Dieses unglaublich seltene Stück; weltweit gibt es noch zwei Exemplare. Ob ich die fliegen wolle?

Und ob.

Nachdem mir Graham etwas lapidar die Flugzeugeinweisung gegeben hatte („As you can see, all the Instruments go bananas“) und mir auf Nachfrage dann doch noch gesagt hatte, wie viele Bananas ich denn so im Anflug auf der Uhr haben sollte, durfte ich schon einsteigen und wurde mit dem altertümlichen Slingsbygurtzeug festgeschnallt. Fest ist dann fest, Nachregeln gibt‘s nicht.

Haube zu, los geht’s.

Was für eine Aussicht.

20Petrel Cockpit
Dieses Flugzeug fliegt so, wie es aussieht. Sehr smooth und sehr elegant. Speed ist nicht so ihr Ding, dafür aber wunderbare Thermikfühligkeit und sie ist sehr leichtgängig zu steuern, trotz der großen Spannweite und der langen Querruder. Lustigerweise neigt man beim F-Schlepp zum „schwänzeln“, sowohl mir als auch Yeti passierte es, dass man ganz leicht die Seitenruderpedale bewegte. Darauf wurden wir allerdings auch vor dem Start schon hingewiesen, so musste man einmal grinsen und dann bewusst die Füße ruhig halten. Beim Ausklinken merkte man ein regelrechtes Abbremsen, und dann ging das entspannte Cruisen los. Ein traumhaftes Flugzeug.

So durfte ich also an diesem Tag drei „Gullwings“ fliegen, drei sehr unterschiedliche und sehr wunderbare Flugzeuge. Interessant waren bei diesem Direktvergleich nicht nur die unterschiedlichen Flugeigenschaften sondern auch die extrem unterschiedlichen Blickwinkel auf die Flächen. Während beim Habicht die Flächen etwas tiefer ansetzen und den Knick sehr weit innen haben, ist dieser bei der Minimoa etwas weiter außen, man sieht also etwas mehr vom Flügel. Dafür sitzt man hier etwas weiter hinten und der Flügel setzt höher an, so sieht man zur Seite teils doch etwas schlechter.

Bei der Petrel wiederum sitzt der Flügel deutlich höher, aber weiter hinten, so dass man beim Fliegen die gesamte Vorderkante sehen kann und auch, was darunter ist. (Das ist oben auf dem 3. Bild zu sehen)

Das war also mein Gullwingday. Das hätte man mir mal vor einem Jahr prophezeien sollen. Ich hätte es niemals geglaubt.

21Gullwingtrio

Wir hatten eine wunderbare Zeit dort, schöne Flüge, viele nette Leute wiedergetroffen und neue nette Leute kennengelernt. Viele schöne interessante Flugzeuge gesehen und wieder viel gelernt.

Am letzten Abend, als die meisten schon los waren, wollten wir schon mal alles packen und das Gespann fertig machen damit wir am nächsten morgen früh starten können. So wurde der Plan ausgerufen früh ins Bett zu gehen, und keinen Alkohol mehr zu trinken.

Um es kurz zu machen, das hat nicht geklappt. Also das frühe Losfahren erstaunlicherweise schon (wir sind auch gut und heil in Braunschweig angekommen), aber die Gastgebergruppe wollte halt gerne noch ihre Bierfässer leer bekommen, und so sah man dann später den Yeti mit zwei Ungarn Syrtaki tanzen, während ich mit einem Holländer zusammen Karaoke gesungen habe…

Nun hat sich der Wanderzirkus wieder in seine Heimatländer verteilt, und nächstes Jahr Anfang August wird dann ein großer Teil davon in Stendal anzutreffen sein. Und wir sind da bestimmt auch wieder dabei.

22Petrel Yeti